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Die ikonenähnlichen Ausstellungsbilder erwecken sogleich die Aufmerksamkeit des Betrachters. Die Arbeiten überraschen, interessieren und regen zum Nachdenken an. Was ist das? Neue Ikonen oder ein schöpferisches Experiment? Autor der originellen Werke ist der junge russische Künstler Vladimir Skokov, der seit geraumer Zeit in Berlin lebt. Anfang der 90er Jahre arbeitete er in einer Werkstatt für Ikonenmalerei, wobei er sich die Grundlagen der russisch-orthodoxen Malkunst aneignete. Erst nach jahrelanger Ausbildung entschied sich der Künstler dafür, seinen eigenen Weg zu gehen. Mit seinem Werk versucht er die traditionelle Malerei Alt-Russlands zu erneuern. Die hier vorgestellten Arbeiten zeigen, dass dies eine richtige Entscheidung war.
Die künstlerischen Wurzeln des russischen Meisters reichen bis in die vorpetrinische Epoche der russischen Geschichte zurück, als die Ikonographie der einzig erlaubte Malerei-Stil war. Einige Jahrhunderte beherrschte der orthodoxe Kanon die russische Malerei. Die Heiligenbilder entstanden im strengen Regelwerk einer festgelegen Farb- und Zeichensymbolik. Als jedoch im 16. Jahrhundert die Heilige Synode die Erlaubnis zur Sujet-Malerei erteilte, hielten erstmals weltliche Themen Einzug in die Ikonographie. Auf diese Weise entstand der so genannte „Parsuna“ – ein Vorläufer des späteren Portraits. Die altrussische Malerei erhielt dadurch mit der Zeit ein neues Gesicht.
Dem Engagement Peters I. ist es zu verdanken, dass Anfang des 18. Jahrhunderts die Kunst westeuropäischer Schulen nach Russland drang und die weitere Entwicklung der russischen Kultur mit bestimmte Die Ikonenmalerei blieb fortan ausschließlich auf den kultischen Bereich beschränkt. Bis auf den heutigen Tag versuchen russische Künstler jedoch immer wieder, ihre ursprüngliche Bedeutung für die weltliche Malerei zu erneuern, indem sie ikonographische Stile und Herstellungsverfahren in ihr eigenes Schaffen integrieren.
Vladimir Skokov arbeitet in einer ähnlichen Richtung. Er wählt vollkommen bewusst den altrussischen Stil, weil er ihn für den eigentlich russischen und damit für sein Schaffen geeigneten hält. In vielem bleibt der Künstler den Errungenschaften der ikongraphischen Schulen später Epochen – insbesondere der Jaroslawer Schule – treu. Gleichzeitig betont er jedoch die Grenzen, die ihn von der religiösen Malerei trennen. Wie einst die Künstler des Mittelalters schafft der Autor Bilder mit betont erzählerischem Charakter; seine Sujets entlehnt er allerdings dem modernen Leben. Vladimir Skokov greift auf die traditionellen ikongraphischen Farb– und Zeichensysteme zurück, löst sie aber von ihren ursprünglichen Symbol-Zusammenhängen, indem er sie seinen eigenen kompositorischen und farblichen Zielen anpasst.
Der Künstler bleibt dem einmal gewählten Stil treu: geschickt verwendet er Grundfarben und ausdrucksvolle Linien, was seinen Arbeiten – in Verbindung mit einer Liebe zur Ornamentalistik – einen dekorativen Charakter verleiht. Was die Thematik seiner Bilder betrifft, so stellt der Autor sowohl im Bereich der Portrait-Kunst als auch in der Sujet-Malerei seine Fähigkeiten unter Beweis.
Bei den treffsicher ausgewählten Darstellungsobjekten handelt es sich, wenn man so will, um die Gegenstände der Anbetung in der heutigen Zeit. Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang die modernen „Heiligen“-Gesichter auf vergoldetem Grund. Zu den ersten Bildern dieser Reihe gehört „Becker mit Vita“. Der berühmte Tennisspieler erscheint im Kreise seiner sportlichen Erfolge und Auszeichnungen, die – ähnlich wie bei einer Ikone die Rahmenbilder – den feierlichen Rahmen um das idealisierte rothaarige Haupt des „Ersatzheiligen“ bilden. Zwei Schutzengel – Ion Tiriac und Günther Bosch – behüten das Tennis-As aus himmlischen Höhen. Die Darstellung Boris Beckers in der Mitte des Bildes entspricht dem Kanon der mittelalterlichen russischen Malerei: das lange Gesicht, die feine Nasenlinie, die vergrößerten Augen usw. Das warme Kolorit verleiht dem Werk den Eindruck einer besonderen „Erhabenheit“.
Die Ironie in Skokovs Becker-Darstellung liegt in den sich aufdrängenden Parallelen zu bekannten Heiligenbildern auf der einen und bereits erwähnten „Parsuna“-Motiven auf der anderen Seite. Ähnliche Tendenzen zeigen sich auch in seiner Portrait-Serie über bekannte Politiker (z.B. Boris Jelzin in „Mein Herz ist im Arsch“).
Das Motiv zu „Der Warteraum II“ ist ebenfalls nicht zufällig gewählt. „Das Arbeitsamt ist die Kathedrale der Neuzeit“ – erläutert der Autor selbst. Die sorgfältig ausgemalten Figuren, die den größten Teil des Bildes einnehmen, halten in ihren Händen die Wartenummern und warten angespannt darauf, aufgerufen zu werden. Am linken unteren Bildrand hat sich der Künstler selbst als Wartender verewigt. Die stilisierten Paläste, die wie Kulissen das Geschehen umrahmen, symbolisieren den Ein- und Ausgang in den „geheiligten“ Warteraum. Und die magische Zahl auf der Anzeigetafel, die die Nummer des „glücklichen Nächsten“ ankündigt, krönt die Komposition wie einst der Stern zu Bethlehem. Hier wird gerade die Hoffnung des Menschen auf Arbeit geboren.
Das, was für viele heute beinahe zum kultischen „Gegenstand der Anbetung“ geworden ist, reflektiert der ironische Künstler in beinahe kultischer Form.
Aufgrund der gleichen „universellen Popularität“ entstehen weitere Arbeiten des russischen Künstlers nach Motiven von Vincent van Gogh und Andy Warhol. „Acht Sonnenblumen in einer Vase“ und „Campbells Soup“ werden jedoch in der Stilisierung a la russe und auf vergoldeter Fläche völlig anders wahrgenommen.
Vladimir Skokov führt auf seine Art einen Dialog mit dem Betrachter. Er eröffnet seinen Rezipienten die Möglichkeit, sich in die Diskussion über die Werte der modernen Gesellschaft einzuschalten. Als russischer Künstler hat er sich auf eine schöpferische Suche begeben, um der altrussischen Malerei neues Leben einzuhauchen und ihr im Strudel moderner Kunst-Richtungen und -Schulen einen angemessenen Platz zu sichern. Diese Suche verspricht auch in Zukunft interessante Ergebnisse.
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